Grüne Forderungen zum Leitbild der Verwaltungsstrukturreform

1. Kommunalisierungstabus Gegen eine Kommunalisierung des Naturschutzes werden wir mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln kämpfen. Desgleichen lehnen wir die Kommunalisierung von Denkmalpflege, Schulpsychologie sowie der Aufsicht über Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe nachdrücklich ab, weil dies kommunal nicht sach- und fachgerecht sowie unabhängig von örtlichen Interessenlagen leistbar, zudem nicht finanzierbar ist.

2. Dienstleistungscharakter der Verwaltung verbessern Die Gemeinden müssen für den Großteil der öffentlichen Aufgaben zum Eingangstor für Bürgerinnen und Bürger werden. Formulare und Anträge an die Kreisverwaltung müssen auch dort angenommen werden. Durch verstärkte Nutzung von E-Government und die Einrichtung von Front/Back-Office-Strukturen wollen wir kommunale Selbstverwaltung stärken. Mobile Stadtverwaltungen bzw. rollende Amtsbusse wie von der Stadt Wittstock, bei dem die Stadtverwaltung zu den BürgerInnen kommt statt umgekehrt, müssen ausgebaut werden. Das ist auch eine soziale Frage, denn gerade die Schwächsten in unserer Gesellschaft, die auf Unterstützung angewiesen sind, müssen häufig in die Ämter.

3. Deutliche Verbesserung der demokratischen Teilhabe auf lokaler Ebene Wenn Gebietskörperschaften vergrößert werden, steigt damit der Abstand zwischen Abgeordneten und BürgerInnen. Das muss zum Anlass genommen werden die lokalen demokratischen Beteiligungsrechte zu verbessern. Dazu zählen für uns die Reduzierung ausgeschlossener Themen für BürgerInnenbegehren, die Zulässigkeitsprüfung durch die Kommunalaufsicht, Kostenbenennung statt Kostendeckungsvorschlag, die Abschaffung von Sonderregeln für Begehren gegen Ratsbeschlüsse und die Senkung respektive Abschaffung von Einleitungs- und Zustimmungsquoren. Begehren sollten auch auf Stadt- und Ortsteilebene möglich sein. 

4. Landratswahlverfahren erneuern Wir wollen die Amtsdauer von LandrätInnen und Kreistagen zusammenlegen und das derzeitige Wahlverfahren durch die integrierte Stichwahl ersetzen. Das Quorum wäre dann überflüssig.

5.Verschuldung nachhaltig angehen Für die benötigten Finanzmittel für die vorgeschlagene Entschuldung darf nicht die kommunale Verbundmasse herangezogen werden. Hier ist das Land in der Pflicht. Darüber hinaus erwarten wir Maßnahmen, mit denen eine ausufernde Verschuldung - insbesondere mit Kassenkrediten - in der Zukunft frühzeitig erschwert wird. Unser Vorschläge eines Frühwarnsystems, eines Programms für Sparbürgerhaushalte und Werkzeugen für die Haushaltsaufsicht liegen auf dem Tisch.

6. Oberzentrumsfunktion finanziell absichern Bisher kreisfreie Städte, die eingekreist werden, benötigen für den Erhalt ihrer Funktion als Oberzentren einen Mehrbelastungsausgleich analog zu denen für Mittelzentren. Die Leistungen dieser Städte, insbesondere im Bereich Kultur und ÖPNV, wirken auch ins Umland und müssen gesichert werden. Die angedeuteten temporären Standardanpassungszuschüsse gehen zwar in die richtige Richtung, stellen aus unserer Sicht aber keine nachhaltige Lösung dar. Daher muss sich das Land zum einen dauerhaft an diesem Mehrbelastungsausgleich beteiligen, damit kein Theater und kein Orchester hinten runterfällt. Zum anderen muss gerade die bereits etablierte E-Mobilität in den Ober- und Mittelzentren mit Straßenbahn und O-Bussen durch ein Landesfahrzeugförderprogramm erhalten und für die gesetzlich geforderte Barrierefreiheit ab 2022 hergerichtet werden.

7. Senkung der Mindesteinwohnerzahl und Flächengrößen Die MindesteinwohnerInnenzahl von 175.000 und die Maximalgröße von 5.000 km² für Landkreise sind aus unserer Sicht immer noch zu hoch gegriffen. Wir sprechen uns weiterhin für eine Mindesteinwohner*innenzahl von 150.000 und in dünn besiedelten Regionen von 120.000 EW aus. Eine bereits diskutierte Zusammenlegung der Landkreise Prignitz und Ostprignitz-Ruppin (4.665 km²)wäre flächenmäßig für uns die absolute Obergrenze.

8. Einordnung des Sektoralkreisprinzips Das Sektoralkreisprinzip, nach dem Landkreise sowohl einen Teil des prosperierenden berlinnahen Raums, als auch strukturschwächere Gebiete umfassen sollen, ist gut und richtig. Allerdings ist das nur ein Ziel unter vielen. Eine Verbindung der Prignitz oder der Lausitzer Kreise mit dem berlinnahen Raum halten wir für eine Überstrapazierung des Sektoralkreisprinzips und lehnen wir ab.

9. Einkreisungen und Kreissitze nachvollziehbar begründen Für mögliche Einkreisungen von kreisfreien Städten muss die Landesregierung sich ehrlich machen und diese anhand von Aufgabenumfang und Finanzstrukturen begründen. Eine reine Orientierung an Mindesteinwohnerzahlen, für die dann auch noch die gleichen wie für die Landkreise gelten sollen, ist nicht stichhaltig. Über die zukünftigen Kreissitze sollte der Landtag entscheiden, um Regionen nicht gegeneinander auszuspielen und Kreissitze in strukturschwachen Regionen zu ermöglichen. Uns ist bewusst, dass es am Ende um ein Gesamtpaket gehen wird. Kern der Reform muss es sein, durch die Zusammenlegung von Verwaltungseinheiten Synergieeffekte zu erzielen, die den Kommunen die Bewältigung der anstehenden Herausforderungen auch bei weiter sinkenden Bevölkerungszahlen ermöglicht. Reformbedingte betriebsbedingte Kündigungen lehnen wir dabei ab. Unsere abschließende Haltung hängt von den funktionalen, demokratischen und finanziellen Auswirkungen besonders auf den von den BürgerInnen wahrnehmbaren Dienstleistungscharakter der Verwaltungseinheiten ab.

 

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Brandenburg 37. Ordentliche Landesdelegiertenkonferenz, 16. April 2016 im Kultur- und Festspielhaus Wittenberge

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