Tempo 70 ein richtiger Schritt

Umstrittenes Tempo-Limit

(MOZ) Von Oliver Schwers, 19.10.11

Prenzlau. Tempo 70 auf uckermärkischen Alleen. Das will der brandenburgische Infrastrukturminister Jörg Vogelsänger (SPD). Er verspricht sich weniger Verkehrstote. Im vergangenen Jahr starben zwei Menschen im Landkreis bei Baumunfällen.

Schon jetzt beherrscht die Debatte um das Tempolimit auf Alleen jeden Kneipenstammtisch. Gerade in der Uckermark existieren langgezogene baumbestandene Straßen zwischen den Ortschaften. Viele Autofahrer sind von Tempo 70 wenig begeistert. Andere Stimmen mahnen zur Vorsicht angesichts der vielen Verkehrstoten.

Im vergangenen Jahr starben im Landkreis zwei Menschen, nachdem ihr Fahrzeug mit einem Baum kollidiert war. Ein Jahr zuvor waren sogar zehn Tote zu beklagen – aus dem gleichen Grund. Die Polizeistatistik beweist, dass sich die Fälle auch in den Vorjahren innerhalb dieser Zahlen bewegten.

Doch Kollisionen mit Alleebäumen machen nur 3,4 Prozent aller Unfälle in der Uckermark aus. Allerdings enden sie oft tragisch mit Toten und Schwerverletzten. Wer falsch reagiert, einem Rehbock ausweichen will oder am Steuer einschläft, hat nur schlechte Chancen, unverletzt aus dem Auto zu kommen. Alleebäume verzeihen keine Fahrfehler – so der Grundtenor von Verkehrsexperten.

Dabei hat sich die Lage im Landkreis in den vergangenen Jahren entspannt. Bessere Fahrbahnen, mehr Leitplanken, weniger Verkehr, mehr Warnschilder, besonders die Geschwindigkeitsbegrenzungen sind dafür die Ursache. Ganz anders verhält es sich bei Wildunfällen. Sie machen fast ein Drittel aller Unfälle im Kreis aus. Dennoch starb dabei seit 2006 kein einziger Auto- oder Motorradfahrer.

Jetzt soll der Landkreis entscheiden, ob er an den Alleen ein Tempo-70-Limit einführt. Das Ministerium hat dazu aufgefordert, alle Straßen mit dichtem Baumbestand und ohne Schutzplanken außerhalb von Ortschaften zu überprüfen. Zuständig dafür sind die Ordnungsbehörden. Wie der Landkreis damit umgeht, steht offenbar noch nicht genau fest. Eine definitive Entscheidung sickerte bislang nicht in die Öffentlichkeit. Man hält sich bedeckt.

In der politischen Landschaft ist man indessen geteilter Meinung. Der SPD-Unterbezirksvorsitzende Frank Bretsch verteidigt die Tempo-70-Idee. Die Reaktion auf das Unfallgeschehen sei angemessen, „gerade weil wir einen hohen und teilweise sehr dichten Baumbestand haben“, so Bretsch.

Die Linken haben sich bislang mit dem Thema noch nicht beschäftigt. „Persönlich bin ich aber der Auffassung, dass Tempo 80 auf den meisten Alleen absolut in Ordnung ist“, so Kreisvorsitzender Torsten Krause. Nicht die Geschwindigkeitsbegrenzung sei das Problem, sondern die Tatsache, dass sich viele Leute einfach nicht daran halten.

Robert Schindler, Kreisvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen, begrüßt den Ministererlass schon aus ökologischen Gründen: weniger Abgase, weniger Benzin, mehr Sicherheit. „Wir können nicht alle Alleen mit Leitplanken ausstatten.“ Dies würde zudem die Wildtiere behindern.

Von einem „Schnellschuss ohne Wirkung“ spricht dagegen der CDU-Kreisvorsitzende Jens Koeppen. Mit weiteren Schildern werde die Verantwortung nur weitergegeben, ohne die Ursache zu beseitigen. „Wenn sich alle vorschriftsmäßig verhalten würden, würde es keine Unfälle geben.“ Ein generelles Tempo 70 auf allen Alleen ziehe ein Verkehrschaos nach sich. Leidtragende wären Pendler, die jeden Tag umsichtig den gleichen Weg nehmen müssten und nun noch langsamer zur Arbeit kämen. Sein Gegenvorschlag: Mehr Aufklärung, mehr Leitplanken und höchstens in schwierigen Kurven eine Geschwindigkeitsbegrenzung.

Ebenso reagiert der FDP-Kreisvorsitzende Andreas Büttner. „Das Ganze ist nur ein riesiger bürokratischer Aufwand.“ Man könne nicht allerorts den Baumdurchschnitt feststellen. Die Wahrscheinlichkeit, bei Tempo 70 an einem Baum zu sterben, sei nicht geringer als bei 80. „Am Ende bleibt alles wieder an den Kreisen hängen.“



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